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Brief aus der Zukunft

 

Liebe Bundesregierung,

 

wir schreiben das Jahr 2025, und es stehen Wahlen an. Manchmal sehen wir im Trubel des Alltags nur, welche Probleme vor uns liegen, nicht aber, was wir schon erreicht haben. Daher möchte ich an dieser Stelle auf die letzten 3,5 Jahre zurückblicken.

 

Voller Hochachtung – Sabine Strodtmann, Bad Nenndorf

 

Herausforderungen völlig neu begegnen

 

Als ihr im Januar 2022 angefangen habt, parteiübergreifend als ein Team zusammenzuarbeiten, hattet ihr eine lange Liste kritischer Probleme.

 

Aber statt diese Probleme jahrelang einzeln im Detail zu analysieren, die vor allem wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen, Maßnahmen abzuwägen und letztlich doch ohne nennenswerten Fortschritt dazustehen, hattet ihr den Mut, ganz andere Wege zu gehen.

 

Ihr habt erkannt, dass jedes Problem für sich schon hochkomplex ist, und dass die Kombination aller Probleme nicht von einzelnen Fachleuten gelöst werden kann. Zusätzlich können Experten wie z.B. Virologen, Epidemiologen, Geologen, Ärzte, Biologen, Meteorologen, Wirtschaftswissenschaftler oder Landwirte nur genau das beitragen, was sie gelernt haben.

 

Ihr hattet den Mut, infrage zu stellen, ob das, was wir gelernt haben, vielleicht gar nicht immer richtig ist. Ihr habt euch an Albert Einstein orientiert, der einst sagte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

 

Und plötzlich war klar: Wir sind mit unserem Denken und Handeln irgendwo falsch abgebogen. Aber wann? Und warum?

 

Gesunde Landwirtschaft - Gesunde Menschen

 

Diesen Fragen sollten andere nachgehen, ihr habt die Ärmel hochgekrempelt und zunächst Änderungen im Bereich von Landwirtschaft und Ernährung massiv gefördert.

 

Heute arbeiten immer mehr Landwirte wieder mit abwechslungsreichen Fruchtfolgen und beachten natürliche Kreisläufe. Auf ihren Feldern erneuert sich Humus kontinuierlich und bindet ganz nebenbei auch große Mengen an CO2. Auf diesen fruchtbaren, gesunden Böden wächst gesunde Nahrung, zahlreiche Insekten und andere Tiere erholen sich in ihrem Bestand. Fortschreitende Bodenerosion durch vom Wind weggewehte oder von Regenfällen weggespülte Felder sind Schnee von gestern.

 

Apropos Böden. Wir haben in den letzten Jahren verstärkt innovative Techniken mit Schadstoff-bindenden Pflanzen, Bakterien und Pilzen erforscht und genutzt, um mit Schwermetallen und sonstigen Giften belastete Böden sogar wieder für landwirtschaftliche Zwecke zu erschließen. Die Erfahrungen unserer Experten sind weltweit gefragt.

 

Als Konsumenten haben wir gelernt, dass bei Getreide, Obst und Gemüse nicht nur zählt, was nicht drin ist (z.B. Schadstoffe wie Pestizide), sondern auch, was drin ist. Sekundäre Pflanzenstoffe in Erzeugnissen aus ökologischer Landwirtschaft, mit deren Hilfe sich Pflanzen natürlicherweise vor Schädlingen und Fressfeinden schützen, helfen auch unseren Körpern, Krankheiten abzuwehren und gesund zu bleiben. Weil wir hochwertige Nahrung zu uns nehmen, essen wir weniger, um satt zu werden. Auf diese Weise geben wir jetzt auch nicht mehr Geld für Lebensmittel aus als noch vor 4 Jahren.

 

Eure Informationskampagnen zu gesunder Ernährung waren einfach, kreativ, humorvoll und begeisternd. Die Bedeutung von gesunden Ölen und frischem Gemüse kennt heute fast jedes Kindergartenkind. Die Bedeutungslosigkeit von Zucker, Chips und Fertigessen auch.

 

Tierwohl ist für uns kein Luxus mehr, weil wir heute wissen, was das mit unserer Gesundheit zu tun hat. Wir lehnen nicht nur das Leid der Tiere in der Massentierhaltung ab, sondern auch die minderwertige Qualität des Fleisches und der Milchprodukte. Uns lässt nicht mehr kalt, dass hektarweise Regenwald vernichtet wird, um auf den Flächen Soja als Futtermittel anzubauen. Nun gibt es eher moderate Mengen an Fleisch aus vernünftiger Haltung, in der Antibiotika – vorbeugend gegeben – keinen Platz haben. Den Platz haben dafür gemächlich grasende Tiere auf der Weide. Besser für die Qualität von Fleisch und Milch. Viel besser fürs Klima.

 

Die Konzentration auf regionale und saisonale Obst- und Gemüsesorten ist nur ein kleiner Beitrag dazu, dass nicht mehr so viele Tiere und Lebensmittel tausende von Kilometern transportiert werden und dass so die Feinstaubbelastung gesunken ist, aber es ist ein Beitrag.

 

Es ist nicht wichtig, warum genau wir immer weniger Neu- und Mehrfacherkrankungen zu verzeichnen haben, warum immer weniger Menschen antriebslos oder sogar depressiv sind, warum unsere Immunsysteme immer fitter werden. Es ist einfach schön, dass es so ist.

 

Bühne frei für neue Energiekonzepte

 

In einem unglaublichen Kraftakt habt ihr in Rekordzeit den deutschen Vorschriften-, Regel- und Paragrafen-Dschungel aufgeräumt und damit den Rahmen für zahlreiche, sehr verschiedene Initiativen von engagierten Bürgern mit großartigen Ideen geschaffen. Allen voran: dezentrale Lösungen zur Energieversorgung. Wir haben in diesem Bereich gelernt, welche Konzepte wie erfolgreich insbesondere fürs Klima sind, haben nachjustiert und unzählige hinzugekommene Initiativen mit diesen Erfahrungen unterstützt. Erneuerbare Energien, durchdacht in Deutschland. Hut ab!

 

Konsum ohne Maßlosigkeit

 

Irgendwann war klar, dass auch wir als Konsumenten unser Denken und Handeln neu ausrichten mussten. War unser Konsum noch angemessen oder bereits völlig übertrieben? Was für Folgen hatte die unaufhörliche Suche nach dem billigsten Anbieter?

 

Wie konnten wir so lange nicht an die Folgen unseres Handelns denken? Den Preis nicht sehen, den andere Menschen für unseren Luxus zahlten? Wie konnten wir nur menschenunwürdige und gefährliche Arbeitsbedingungen ausblenden, unter denen Produkte hergestellt wurden, die bei uns – kaum genutzt oder getragen – dann doch schnell auf dem Müll landeten? Warum wollten wir nichts wissen von Kindern, die nicht zur Schule gehen konnten oder gar verhungerten?  

 

Heute hinterfragen wir die Notwendigkeit unseres Konsums. Muss es schon wieder ein neues Handy sein? Ein größerer Fernseher? Ein schnelleres Auto? Die zehnte Jeans? Schon wieder ein Wochenendtrip in die nächste europäische Hauptstadt?

 

Wir nutzen nun viel mehr Secondhand- und Tauschläden, genießen sonntägliche Wanderungen durch den nahegelegenen Wald. Wir treffen bewusste Kaufentscheidungen, ausgerichtet an den Maßstäben, die ihr uns vorlebt: in sozialer, ethischer und ökologischer Hinsicht. Wir machen unsere Kaufentscheidungen auch von der Lebensqualität derer abhängig, die die Produkte erzeugen, transportieren und ausliefern. Und wir fragen unsere Banken, in welche Bereiche sie investieren, welche Projekte sie finanzieren. Passen ihre Kriterien zu unseren Maßstäben?

 

Durch unseren bewussten Konsum sind knapper werdende Rohstoffe und wachsende Müllberge für uns kein Problem mehr. Gleichzeitig sparen wir durch weniger Produktion und Transport auch jede Menge CO2.

 

Globaler Schulterschluss

 

Mit viel diplomatischem Fingerspitzengefühl habt ihr gleichzeitig Führung bei dem brennendsten globalen Thema übernommen: dem Klimawandel. Wer hätte Anfang 2022 gedacht, dass es euch gelingt, die entscheidenden Nationen an einen Tisch zu bekommen? Denn damals waren zunächst nicht alle gleichermaßen alarmiert z.B. vom Auftauen der Permafrost-Böden. Für viele ging es dabei „nur“ um die gewaltigen Mengen an Treibhausgasen, die nach und nach freigesetzt werden.

 

Aber ihr seid nicht müde geworden, auf die im letzten Jahrhundert in der Arktis entsorgten riesigen Mengen von Industrieabfällen und Hinterlassenschaften militärischer Aktivitäten hinzuweisen. Keine Nation will wirklich, dass die über Jahrzehnte in der riesigen Tiefkühltruhe gelagerten Schadstoffe, Gifte und radioaktiven Abfälle wieder ans Licht kommen. Und mit ihnen Mikroorganismen – wie uns unbekannte Bakterien, von denen wir noch immer nicht wissen, ob gängige Antibiotika auf sie ansprechen. Vor dem Hintergrund, dass wir gerade eine Pandemie hinter uns gelassen haben, erscheint die Aussicht nicht gerade komfortabel, dass seit mehr als 10.000 Jahren von arktischem Eis eingeschlossene Bakterien plötzlich wieder auftauchen und uns über Nahrungsketten oder arktische Zugvögel schneller erreichen als uns lieb sein kann.

 

Die Notwendigkeit international zusammenzuarbeiten ist von fast allen erkannt worden, der Schulterschluss mit großen Nationen ist gelungen, die Veränderungsbereitschaft enorm.

 

Mut zur Gestaltung

 

Es sind in den letzten Jahren viele, z.T. völlig neue Arbeitsplätze entstanden. Viel mehr Menschen haben das Gefühl, einen sinnvollen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten, etwas zu bewirken, Macht über das eigene Leben und die Zukunft zu haben.

 

Es ist nicht wichtig, was genau uns zu einem Vorbild in Europa gemacht hat. Es ist nur wichtig, dass wir weiter tun, was wir tun können, anstatt nur zu reden, auszuweichen, zu hoffen, dass alles gut wird. Nichts wird gut, wenn wir nichts ändern.

 

Rückblickend muss man sagen, dass es genau ein Erfolgsgeheimnis gab: Mut.

 

Mut, Dinge zu verändern. Mut, die seit einem halben Jahrhundert in uns eingebrannte Frage nach vermeintlicher Wirtschaftlichkeit zu überhören. Mut, aus der Negativspirale herauszuhüpfen und neu zu denken und zu handeln. Mut, nur Dinge zu entwickeln, zu fördern und zu finanzieren, die sozial, ethisch und ökologisch zu verantworten sind.

 

Euer Mut hatte und hat viele „Follower“. Auch wir Konsumenten halten das vermeintlich Unmögliche für möglich. Damit sind wir aktive Gestalter, wir sehen den Gewinn, den wir von den Veränderungen haben.

 

Und nun, liebe Bundesregierung, stehen erneut Wahlen an. Euch ist es gelungen, Vertrauen aufzubauen, uns Wähler mitzunehmen, zu einem Teil der Transformation zu machen. Auch die, die zunächst noch sehr an alten Strukturen, Denkmustern und Spielregeln festhielten, konnten nicht mehr funktionierende Konzepte loslassen. Vieles Alte konnte in Würde gehen und Platz machen für tragfähige, nachhaltige Lösungen. Wir tragen die Verantwortung für unser Denken und Handeln. Mit vielem sind wir noch nicht fertig, aber wir haben uns auf den Weg gemacht und blicken mutig nach vorn.

 

Weil wir hinter euch stehen und ihr euch echt zusammengerauft habt, kann uns gar nichts Besseres passieren, als genau dieses Regierungsteam für weitere 4 Jahre zu verpflichten. Daher könnt ihr euch den Wahlkampf sparen, die viele wertvolle Zeit, die vielen nutzlos bedruckten Plakate und auch die Flyer, die ohnehin keiner im Briefkasten haben möchte. Ihr könnt euch durchgängig um die nächsten Schritte kümmern. Hin in eine noch lebenswertere und noch gesundere Zukunft für alle Menschen auf dieser Welt.